Sonntag, 19. Oktober 2008







Das ist die Meute Fledermäuse und der Blick von oben, Ruanda - einfach wahnsinnig schön!, ich auf einem Volcangestein-Felsen in Gisenyi, und noch mehr Ruanda...





Das ist die Aussicht über den Lake Kivu in Kibuye, Alex und ich, nochamal der Lake und ich in einer Kirche, die heute als Gedenkstätte für den Genozid geöffnet ist

Lebenszeichen

Hallo ihr Lieben!
Nach 11 Tagen melde ich mich endlich wieder - ich lebe noch und mir gehts gut! Wer dennoch anrufen will um sich selbst zu vergewissern, soll sich hierdurch nicht abhalten lassen ;)
Die letzte Woche habe ich zusammen mit Alex, dem Medizinstudenten, und Fabian, dem Geographiestudenten, der vorletzte Woche angekommen ist, Ruanda erkundet - oder jedenfalls einen kleinen Teil davon.
Montagmorgen ging es mit Jeep und Fahrer über Gitarama nach Kibuye, einem niedlichen kleinen Nest direkt am Kivusee mit traumhafter Aussicht, vielen kleinen Inseln, die man mit Booten gut erreichen kann, viel Sonne, netten Engländern und ner ganzen Menge Fledermäuse! Wir hatten von unserer Herberge aus einen wunderschönen Blick auf den fast karibischen Kivusee inklusive Sonnenauf- und untergang, farbenprächtigen tropischen Gewächsen, Stromausfall und Regengüssen, und verbrachten einen echt schönen Tag am See. Eine Gruppe Engländer, die für 3 Monate durch Afrika tourt, stieg ebenfalls dort ab und kommunikativ wie ich hier geworden bin, fragte ich, ob wir mit auf ihre Bootstour kommen könnten - wir durften, und erlebten Ruanda neben Bergbesteigung mit wahnsinniger Aussicht (ich glaube das liegt an der Höhe, aber ich war so außer Atem als ich endlich oben war, dass es echt peinlich ist...) nochmal von einer ganz anderen Seite. Die Hügellandschaft mit ihren vielen Grün- und Brauntönen, die Tee- und Kaffeeplantagen kannte ich ja schon ganz gut, aber ich wusste nicht, dass Ruanda auch ein wunderschönes Urlaubsland ist - mit klarem Seewasser (der Kivusee ist ca. 10* so groß wie der Bodensee, und verdient deshalb eher die Bezeichnung Binnenmeer!), Stränden, Buchten, Inseln...
Am Nachmittag ging es dann weiter nach Gisenyi, der nördlichsten Stadt am Kivusee, von der es nur ein Katzensprung zum Kongo ist, denn Goma liegt direkt an der Grenze. Und nein, ich bin nicht rüber gegangen^^ - die Nachricht über die USbase, die von Rebellentruppen eingenommen worden ist, hat mich dann doch zu sehr abgeschreckt.
Gisenyi ist ebenfalls sehr schön, ein ganzes Stück größer als Kibuye mit großen, bunten Parkanlangen direkt am See, Hotels mit Sandstrand, Restaurants und Sternschnuppen(!) - leider nicht ganz so idyllisch, aber einen Besuch ist es auf jeden Fall wert!
Mittwochnachmittag fuhren wir (Alex und ich) dann weiter nach Kigali, wo wir Fabian einsammelten, der die restlichen Tage nicht wie wir gefaulenzt, sondern fleißig seinen Fragebogen zum Agroforst-Projekt, in dem er arbeiten wird, erstellt hat. Gegen Abend (wir hatten einige Schwierigkeiten Fils, den besten Fahrer Ruandas, ausfindig zu machen - er ist immer sehr sehr "busy", hängt dauernd am Handy und geht wichtigen Geschäften nach...) gings dann endlich los Richtung Akagera Park! Die Nacht verbrachten wir in einem Bungalowhotel, das schlussendlich 5000 Franc teurer und wasserlos war... - in aller Herrgottsfrühe (Alex scheuchte uns tatsächlich um 4:45Uhr zum Frühstück!) fuhren wir los, so dass wir fast pünktlich am Akagera ankamen. Der Akagera Park ist ein großer Natioalpark im Osten Ruandas, der direkt an Tanzania grenzt und in dem man "wilde Tiere" beobachten, Zelten und Savari machen kann. Gleich zu Beginn zeigte uns Penny, unser Guide, eine ganze Herde Giraffen, an die wir ca. 30m weit rankamen - sehr beeindruckende Tiere, unheimlich schön und graziös trotz ihrer Größe - ich habe tolle Fotos gemacht (Danke Miri für die gute Kamera!). Kurz darauf ging es weiter mit einer Herde Büffel, vielen Affen, Impalas, Red-backs, Water-backs (sehen aus wie Rehe oder so), Nilpferden (sogar außerhalb des Wassers!), Sea Eagle, Butler Eagle und vielen vielen weiteren Vögeln! Es folgten Zebras, Antilopen und tatsächlich ein Elefant - was wirklich sehr selten sein soll!
Sehr zufrieden und glücklich, dass wir soviel gesehen haben, zelteten wir auf einem der großen Hügel, zu unseren Füßen einer der Seen, über uns der Sternenhimmel - sogar mit Lagerfeuer - jawohl, meine Pfadfinderzeit trägt noch immer Früchte!, gegrillten Spießen und Kartoffeln! Am nächsten Morgen ging es dann nochmal für 3-4h Richtung Norden durch den Park und gegen Mittag wieder zurück nach Kigali. Nach einer sehr schönen aber auch anstrengenden Woche bin ich dann Freitag abend ziemlich müde heimgekehrt, fand die Jungs gott-sei-dank gesund und munter (wenn auch mit leichten Schürfwunden) und das Haus noch stehend vor!
Eva hat Alma bekommen - ich habe bis jetzt leider noch nicht mit ihr sprechen können, aber die Jungs meinten ihr und dem Baby gehe es gut. Nächste Woche haben Paul und Anton eine Woche frei (sie langweilen sich schon jetzt) und ich arbeite wieder mal :)
Ansonsten gehts mir gerade sehr gut, ich bin verschont von Magen-Darm-Beschwerden (hura!), habe eine Menge gesehen und mich richtig in Ruanda verliebt. Wenn das hier die Wiege der Menschheit war, dann gibt es eigentlich keinen Grund, warum wir hier hätten weggehen sollen! Ich melde mich nächste Woche wieder regelmäßig - ihr kommt also nicht drum herum Stunden eures hektischen Lebens auf dieser Seite zu verbringen ;)
Ich hoffe euch allen geht es gut! Genießt den schönen Herbst und trinkt eine Tasse Tee für mich -
Alles Liebe, eure Milli

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Fetaler Herzschlag

Da bin ich wieder. Wir haben Mittwoch nachmittag (da haben die Jungs immer frei, sonst geht die Schule hier bis um vier!), die Sonne scheint, aber Leopold meint heute abend würde es wieder gewittern, und ich habe gleich Feierabend :) Um 18Uhr bin ich zum Fischessen verabredet, denn Volker verbringt heute seinen letzten Abend in Ruanda, morgen gehts für ihn anch 9 Wochen wieder nach Hause, nach Mainz. Und ich bin ein bisschen wehmütig, denn obwohl es mir hier gerade sehr gut geht und ich garnicht umbedingt nach Hause will, weckt der Gedanke an die Heimat doch sehnsüchtige Gefühle.
Trotz allem müsst ihr mich übermorgen früh wohl noch nicht am Flughafen abholen...
Heute mittag habe ich das Mutter-Kind-Projekt hier in Butare besucht. Wir überlegen zum einen mit ihnen die "Microfinance" auszuprobieren bzw. dachte ich, sie hätten schon selbst damit begonnen, zum anderen gab es Überlegungen zu einem Nähworkshop.
Tja, und wie das hier so ist stellte sich heraus, dass sie nicht mit Mikrokrediten arbeiteten, die ja vom Empfänger in irgendein Projekt investiert werden sollen, sondern im Grunde eine Mikrobank unterhielten, und jedem Mitglied pro Monat einen festen Betrag auszahlten (im Grunde das, was sie vorher eingesammelt hatten), sodass sie sich die lebensnotwendigen Dinge kaufen konnten - sie konsumierten die Ersparnisse also direkt wieder.
Auf die Frage hin, was sie für Ideen hätten, was für eine Art Projekt sie beginnen, das wir dann unterstützen bzw. den notwendigen Kredit bewilligen könnten, kamen zunächst garkeine Antworten, und dann hieß es "Small Business" - also irgendwas billig ankaufen und teuer verkaufen, vielleicht Klamotten?! Mir saß eine Gruppe von Frauen gegenüber, die nichts gelernt hatte, zusätzlich mit reichem Kindersegen beschenk - dafür meist ohne Mann, und meinte, sie würde das schon hinkriegen, irgendwas zu finden und das Geld selbstständig zu verwalten... Geldgeben ist hier ein riesen Problem - die meisten sind so geblendet vom plötzlichen "Vermögen", dass sie sich keine Gedanken über Rückzahlungsstrategien machen. Was mache ich mit einer Gruppe, die zu alt ist, um eine langjährige Ausbildung zu machen, die durch ihre Kinder nicht besonders viel, hart oder lang arbeiten kann und zu allem Überfluss nicht sonderlich motiviert ist? Sie hat uns vorgeschlagen, wir könnten ja die Felder rund um das Gebäude bewirtschaften lassen - schon jetzt pflanzen sie dort ein bisschen Soja. Saatgut könnten wir natürlich stellen - aber als wir dann nachfragten, wer denn die landwirtschaftliche Arbeit tun solle, meinten sie, dass wir für die erste Zeit jemand anstellen sollten, der das täte.. auf die Idee, das sie selbst bewirtschaften könnten, reagierten sie nicht sehr positiv... oh mann. Also manchmal kann man hier verzweifeln. Ich bin offen für Vorschläge!
Was den Nähworkshop angeht, so setzt der wohl eine mindestens einjährige Ausbildung voraus. In dieser Zeit könnten sie nichts verdienen (was sie genau genommen jetzt ja auch nicht tun), was mit Kindern nicht möglich ist - scheitert also voraussichtlich auch.
Aber genug von heute... Gestern habe ich Volker ins Krankenhaus begleitet, er hat mir verschiedene Stationen gezeigt und mich ein bisschen rumgeführt - ein paar Sachen hatte ich zwar schon gesehen, aber ich kann mich noch lange nicht orientieren, irgendwie sieht alles gleich aus. Nach einem sehr netten Mittagessen mit einem schwedischen und mehreren ruandischen Medizinstudenten für umgerechnet 1,3 Euro pro Person! haben wir in der gynäkologischen "Sprechstunde" vorbeigeschaut und ich habe einiges zu sehen bekommen - von einem riesigen, mit bloßem Auge erkennbaren Brusttumor, über mehrere Ultrasschalls und normale Vorsorgeuntersuchungen bis hin zu meinem ersten fetalen Herzschlag :) Ich weiß nicht genau wie die Dinger heißen, aber man kann mit einem röhrenartigen Instrument (ziemlich simpel) schon ab der 12. Woche den Herzschlag eines Fötus hören! Dazu tastet man durch sogenannte "Leopold-Handgriffe" das Abdomen ab, bestimmt Kopf- und Fußlage des Fötus und schließt so auf die Stelle über dem Herzen, dann setzt man diese Röhre an, drückt sie in den Bauch und versucht etwas zu hören. Zunächst habe ich garnichts gehört und war schon fast enttäuscht, und dann, einen sehr schnellen und sehr leisen, aber klar erkennbaren Puls - Ich muss sagen, dass ist ein wunderbares Gefühl...
Gegen abend, wir wollten eigentlich schon gehen, wurde Bettina, die wir später noch bei den Echos unterstützen, zu einem Notfall ins Kreiszimmer gerufen, irgendwie wollte sich die Plazenta nicht ablösen und die Nachgeburt fiel aus. Bettina versuchte es dann "mechanisch", was ne ziemlich widerliche Angelegenheit ist (man versucht an der Nabelschnurr zu ziehen und noch so einiges andere, das ich euch erspare...). Nach etlichen Versuchen gab sie auf, der Uterus hatte sich bereits vollständig geschlossen... nächster Schritt hieß dann OP. Die Frau sollte nakotisiert werden mit der Hoffnung, dass sich der Uterus entspannte.. nachdem auch das nicht funktionierte, wurde sie per Laparotomie aufgemacht. Und was ich dann sah, ließ mir echt den Mund offen stehen. Einen RIESIGEN Uterus (gut, die Frau hatte gerade entbunden, aber trotzdem!), der mit einem geschickten Schnitt geöffnet wurde und ich weiß nicht wie viel Blut und schlussendlich die Nachgeburt nach außen beförderte... Meine Herren, ein solches Gemetzel - Bettina warnte uns vor - habe ich selten gesehen, und ich hatte in der HSK echt einiges zu Gesicht bekommen. Am Ende ist alles gut gegangen, die Frau wurde wieder zugemacht und ich hoffe, sie hat alles gut überstanden. Ich bin nach dieser Schicht (waren bis 8Uhr im OP) todmüde ins Bett gefallen - wieder ein spannender, aufreibender Tag!
So, genug für heute :) Ich gehe jetzt schön Fischessen und genieße das Unwetter (Leopold hatte recht, im Moment beginnt es zu nieseln..).
Ich wünsche euch allen einen schönen Abend und ne gute Woche, bis bald - fühlt euch wie immer gedrückt, eure Milli

ps.: Ganz speziell für meinen tollen Onkel Marcus und weil ich wohl nicht alle Fragen beantwortet habe:
Eva ist zusammen mit Alice (das ist das Kindermädchen) und Emil nach Deutschland geflogen, er ist einfach noch zu klein, um ihn hier zu lassen... Nach Deutschland deshalb, weil die medizinische Versorgung hier zwar Fortschritte macht, aber nicht annähernd das Niveau hat, das wir von zuhause gewöhnt sind - sollte also irgendwas mit dem Kind nicht stimmen oder es während der Geburt zu Komplikationen kommen, ist Deutschland mit Sicherheit die bessere Wahl! Alleine technisch sind wir einfach viel besser ausgestattet, von Sterilität fange ich nicht an...

Sonntag, 5. Oktober 2008

5. Oktober - Eva fliegt nach Deutschland!

Vor genau 3h ist Eva nach Kigali aufgebrochen um für einen Monat nach Deutschland zu fliegen und dort hoffentlich ohne größere Probleme ein Geschwisterchen für Paul, Anton und Emil zur Welt zu bringen - in ca. einer Stunde wird gestartet.
Das heißt für mich, dass ich für einen Monat Hausherrin bin - Anton und Paul fürchten schon jetzt meine Schreckensherrschaft und sind deshalb ausgesprochen lieb und nett - noch ;)
Und da Sonntag ist, und ich mir schon seit über einer Woche vornehme endlich meine Mails zu beantworten und den Blog zu erneuern, mache ich das jetzt - Gepiepse verschont mich ebenfalls gerade - also besser gehts nicht.
Da ich euch ja versprochen habe noch genauer auf das "Microfinance"-Konzept einzugehen und ich euch das natürlich nicht vorenthalten will^^, fange ich da an.
Wie gesagt, ich traf mich letzte Woche mit einer landwirtschaftlichen Gruppe aus Gatare, die - so scheint es jedenfalls - sehr erfolgreich mit Mikrokrediten arbeitet. Genau genommen arbeiten sie nicht landwirtschaftlich zusammen, bilden also keine Kooperative, aber sie treffen sich jeden Monat und unterstützen ihre landwirtschaftliche Arbeit durch Kleinkredite, die ein selbstgewählter Vorstand bewilligt oder eben nicht.
Ich kannte das Modell aus Indien und Bangladesh, wo sozial-engagierte Banken Kleinstkredite bewilligen und somit zur Entwicklungshilfe beitragen. Der Unterschied hier allerdings besteht darin, dass nicht etwa eine Bank oder ein Spender von außen Kredite vergibt, sondern dass die Gruppe sich selbst trägt. Jede Woche wird von den Teilnehmern ein vorher festgelegter, meist sehr kleiner Betrag eingesammelt und in die Gemeinschaftkasse eingezahlt. So kommt nach einigen Monaten und 30 Mitgliedern pro Gruppe eine erstaunliche Summe zusammen! Wenn nun ein Mitglied in Geldnöten steckt, oder ein Startkapital für eine neue Geschäftsidee benötigt, fragt es die eigene Gruppe um einen Kredit an. Nach einigen Monaten muss das Geld dann zurückgezahlt werden (+Zinsen), und wie es aussieht ist die Rückzahlquote (also die Anzahl derer, die wirklich den bewilligten Kredit zurückzahlen) ziemlich hoch. Somit können auch Leute an Kleinstkredite kommen, die ihnen von den Banken wegen fehlender Sicherheiten nicht bewilligt werden würden.
Auf uns übertragen könnte das bedeuten, dass wir bei einigen unserer Projekte diese "Microfinance" vorschlagen bzw. aktiv durch Spendengelder unterstützen - eine Gruppe (Mutter-Kind-Projekt) hat schon selbstständig damit begonnen eine Microfinance-gruppe aufzubauen. Unterstützt werden solche Gruppen vom CRS (Catholic relief services), so auch die, die ich besucht habe. Nächste Woche habe ich vor unsere Frauengruppe zu besuchen, zu prüfen wie weit sie sind und vielleicht den CRS zu bewegen, diese Gruppe ebenfalls aufzunehmen und anzuleiten. Ob das nun etwas ist, was langfristig funktionieren kann, weiß ich auch nicht - aber ich gewöhne mich so langsam daran, dass alle noch so guten Ideen und Konzepte nur bedingt umsetzbar sind, oder angenommen werden... Wäre jedenfalls toll, wenn das klappen würde.
Was war noch? Ja, der 3. Oktober! :)
Leute, ihr habt was verpasst! Zusammen mit Dr. Bettina und ihren Kids, Leopold (der mein ständiger Bodyguard ist^^), Alex und Volker - zwei sehr netten Medizinstudenten aus Mainz, die ich kennengelernt habe und die hier für 1-2 Monate waren um ihre Famulaturen abzuleisten, und Rafiki (unserem Fahrer) gings am späten Freitagnachmittag nach Kigali. Schlussendlich waren wir 9 Personen, alle in einem Auto und zu viert auf der Rückbank! (aber das ist hier noch garnix). Nach einer lustigen Fahrt, Bettina hatte Lernkarten zur dt. Grammatik dabei, die wir abgefragt wurden - ich war noch nie gut in Rechtschreibung und/oder Grammatik, man bedenke meine wiederholten Punktabzüge! (scheint berechtigt gewesen zu sein :(, kamen wir im Privatdomizil des deutschen Botschafters an - alle natürlich in Abendkleidung!
Ja, der Botschafter lebt dann doch ein wenig anders als der Rest von Ruanda... als wir ankamen waren schon ziemlich viele Deutsche da. Ich hatte ja keine Ahnung, dass so viele von uns hier sind! Irgendwie rechnete ich mit 50-60, aber nein, da waren mindestens 250. Und ich war fast ein bisschen überfordert mit so viel Deutsch und Deutschen um mich herum ;). Der Botschafter - oder seine Angestellten - hat sich jedenfalls sehr viel Mühe gegeben, und so gab es neben einer echt schönen Deko (überall waren Lichterketten aufgehängt und wir sammelten uns unter einem großen Zelt, das im Garten aufgebaut worden war) Apetitthäppchen, diverses Hochprozentige^^, Wein, Bier, einen Chor, der "Die Forelle" sang (ja, man trifft im Ausland auf die merwürdigstens Dinge ;), ein paar gewichtige Reden und viele, viele Deutsche - sogar nette.
Ich habe eine ganze Gruppe Weltwärtsler kennengelernt, die echt nett sind - ein paar wohnen sogar ganz in meiner Nähe! und ich pflege seit Freitag Kontakte nach Lybien. Die libanesischen Botschafter waren nämlich ebenfalls auf dem Botschaftempfang, und da der eine mehrere Jahre in Deutschland studiert hat (auch noch Germanistik ;), sprach er besser deutsch als englisch und wir kamen ins Gespräch. Merle meinte ja, ich solle kontaktfreudig und offen sein - nun, das ist dabei herausgekommen ;)
Aber auch die netten Famulanten Alex (du siehst, ich schreibe hier nur Positives!) und Volker habe ich näher kennengelernt und bin doch ein bisschen traurig, dass sie innerhalb der nächsten zwei Wochen wieder abreisen.
Alles in allem war das ein echt schönes Fest, ich habe viele neue nette Leute kennengelernt und kann solche Empfänge nur empfehlen!
Am nächsten Morgen ging es nach einer für mich ungewohnt kurzen Nacht (ich schlafe hier so viel!) zu einer Ausstellungseröffnung ins Kandt-Haus. Das ist Kigalis erstes und somit ältestes Haus und beherbergt gerade eine Ausstellung über die dt. Kolonisalisierung im 19. Jhd.. Da trafen wir dann auch prompt unseren neuen Bekannten, den dt. Botschafter, der eine endlos lange und eher bedeutungslose Rede hielt, gefolgt von vielen, vielen weiteren... gegen Mittag gings dann wieder Richtung Heimat.
Soweit zu meinem sehr lustigen und aufregenden Wochenende. Gerade ziehen wieder dunkle Gewitterwolken auf und es sieht nach baldigem Stromausfall aus :(
Ansonsten gehts mir gerade aber sehr gut, ich habe am Donnerstag meine neue Unterkunft ab November besichtigt (das geht klar!), die wirklich sehr schön ist und hält was sie verspricht!, und ich werde zusammen mit Alex im Laufe der nächsten bzw. übernächsten Woche den Akagerapark besuchen - da gibts laut Prospekt Elefanten, Giraffen, Nilpferde, Zebras, Löwen... alles also, was man in Afrika gesehen haben sollte, und ich freu mich echt darauf.
Ich wünsche euch allen noch einen schönen Restsonntag im kalten Deutschland, genießt euren Tee und lest was schönes - (habe gestern bei Trivial Pursuit - das ich schon immer blöd fand! - gegen einen 13 jährigen verloren... Es ist nie zuspät, fangt an mehr zu lesen!)

Bis bald, fühlt euch umarmt - eure Milli

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Milli als Famulant^^

Sodele, da ich seit Tagen geschwiegen habe und die Internetverbindung mir gerade freundlich gesinnt zu sein scheint, schreibe ich euch ein bisschen was, und da ich eigentlich Montag schon Hammerhartes erlebt habe, fange ich da auch an:

Erinnert ihr euch an die Ärztin von der ich erzählt hatte? Dr. Bettina, wie sie hier heißt (ja, Bettina ist ihr Vorname ;) ist eine der leitenden Ärzte der Gynäkologie an der Universitätsklinik von Butare (gibt hier neben dieser auch noch das Destriktkrankenhaus und einige "Gesundheitszentren"). Sie ist vom DED für zwei Jahre nach Ruanda geschickt worden, um hier junge Mediziner auszubilden und anzuleiten, lebt mit ihren drei Jungs in nem noch schickeren Haus als wir und beginnt ihren Arbeitstag jeden Morgen um 7:10Uhr!!! Was das für mich als eigentlichen Langschläfer bedeutet, könnt ihr euch vorstellen... Aber auf Anfang:
Eva fragte Bettina, ob ich sie nicht mal begleiten könnte, wegen Medizininteresse usw., und Bettina sagte für Montag zu. So stand ich also um 6 Uhr(!) auf und machte mich ne Stunde später auf den Weg zu ihr - wohnt zum Glück nur n paar Minuten entfernt, wir wollen meine sportlichen Bemühungen ja nicht zu sehr auf die Probe stellen! Sie wird jeden Morgen um 7:10Uhr von einem Medizinertaxi (echt, die fahren nur Ärzte!) abgeholt und zur Klinik gefahren - und ich diesen Montag also mit ihr. Natürlich hatte ich keinen weißen Kittel, aber Bettina gab mir einen von ihren und so durfte ich mal wieder schauspielern^^. Die Uniklinik selbst (denkt nicht an deutsche Kliniken - ich ließ mich auch von dem Uni vor der Klinik blenden...) entspricht nicht so ganz unseren Vorstellungen - gelinde gesagt. Zwar gibt es eine wirklich schöne Grünanlage, viele Blumen und Bäume, das Gebäude an sich, die Gerüche darin und so einiges andere ist aber weniger schön... Wie eigentlich überall in Afrika läuft der Krankhausaufenthalt hier ein bisschen anders ab: Es gibt zwar ne Menge Betten, aber keine weitere Pflegebetreuung, was bedeutet, dass die Verwandten mitsamt Essensvorräten, Getränken, Betttüchern und was man sonst noch so braucht anrücken, und um die Betten herum campieren. Viele lagern auch auf den Grünflächen vor dem eigentlichen Krankenhaus, Wartezimmer oder was vergleichbares gibt´s hier praktisch nicht.
Kurz nach unserer Ankunft - Bettina hat zumindest ein eigenes und vorallem abschließbares Zimmer, das ich mitbenutzen konnte - begann auch schon die allmorgendliche Fachbesprechung - zu meinem Leid auf Französisch (verstehe aber hin und wieder sogar was!:), die sich wie ich seit heute weiß ewig hinziehen kann! Ich musste mich dann vorstellen - auf Englisch zum Glück! - und wurde als neue Studentin eingeführt ;) Ein bisschen geschönt, aber irgendwie dachten eh alle ich sei die neue Fachärztin, was mich zu dem Schluss kommen ließ, dass ich extrem alt aussehn muss! Stimmt das? Und wenn ja, warum zum Henker hat mir das nie jemand so direkt gesagt? Hä? Dann hätte ich viel früher mit dem Liften angefangen :-/
Nach der Besprechung gings für mich auch schon in den Kreissaal - oder sagen wir lieber Kreiszimmerchen und (haltet euch fest!) ich wohnte meiner ersten Geburt bei! Ich kann schwer beschreiben, was das für ein Gefühl war, aber es ist unvorstellbar... nach nicht mal 30min kam ein gesunder, zuckersüßer und sehr sehr verquollener Junge auf die Welt. Die Frau hat nicht mal geschrien! Und das ohne jegliche Schmerzmittel... echt hardcore! Wir hatten ein bisschen Angst, weil das Baby nicht ganz richtig lag - ist schließlich auch mit dem Gesicht und nicht mit der Stirn zuerst - herausgekomme (ergehe mich jetzt nicht weiter in Einzelheiten!), konnte aber schreien und hat nach dem Saubermachen der Atemwege auch gut Luft bekommen. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich zuerst dachte die Frau gebärt da irgendwas anders - jedenfalls kein Kind (sah eher aus wie ein Teratom... für Grey´s Anatomy Spezies^^), ich habe bestimmt ne Minute gebraucht bis ich in diesem zusammengeknautschten Etwas ein Gesicht erkannt habe... nachdem es von der Schmiere befreit war, sah es aber wirklich richtig süß aus, wog stolze 3,5kg, war 55cm groß und hatte einen Kopfdurchmesser von 15cm. Ich glaube ich habe noch nie etwas so perfektes gesehen - (ich weiß das klingt albern und sentimental, sind wahrscheinlich die Hormone...) es ist einfach unvorstellbar, dass da schon alles dran ist, eben in Miniaturausgabe, und das da ein neuer kleiner Mensch auf die Welt kommt, der zu diesem Zeitpunkt noch alle Möglichkeiten der Welt hat sich in die eine oder andere Richtung zu entwickeln... Noch hat ihm niemand weh getan, er hat keine Erfahrungen, keine Erinnerungen - ein unbeschriebenes Blatt.
Nach dieser wirklich schönen Geburt (war für die Frau schon die fünfte!) bin ich mit in den OP (Bettina hatte noch vor der Geburt angefangen: Laparoskopie/Bauspiegelung), kam aber für die wirkliche Aktion zu spät und hab dann noch bei den Unfallchirurgen, die sich hier aber irgendwie auch um alles andere kümmern, zugeguckt.
Tja, und was Bettina dieser Frau da rausholte war nichts anders als ein Teratom ;) (Dermoid). Für die Nichtmediziner unter euch^^, ein Dermoid oder auch Teratom ("Schreckbild") ist ein Mischgeschwulst der Keimzellen - also ein Tumor. Man weiß nicht recht wieso, vermutlich aber erblich bedingt, fängt irgendwann dieser Keimzelltumor an zu wachsen und bildet die merkwürdigsten Dinge aus, da er aus mindestens zwei Keimblättern besteht (Ontogenese für die Bio-LKler). In unserem Dermoid (von außen siehts aus wie ein Organ) befand sich ne Menge Talg und ein paar Haare... ja ein bisschen eklig ist das schon, wenn der Körper plötzlich meint, er müsse seine erste Entwicklungsphase wiederholen und die seltsamsten spezialisierten Zellen ausbilden...
Kurz vor der Mittagspause wurden wir dann nochmal in die Ambulanz gerufen... eine schwangere nicht mal 24jährige Frau krümmte sich vor Schmerzen. Und obwohl sie schon mindestens ne halbe Stunde dagewesen sein musste hatte sich bis jetzt niemand darum bekümmert (sie war von nem anderen Krankenhaus zu uns verlegt worden). Bettina bekam eine kleinen Ausraster, schrie ein bisschen den diensthabenden Arzt an und machte den Ultraschall schlussendlich selbst. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Frau einen Blutdruck von 200/120 hatte - man konnte froh sein, wenn das Kind noch lebte... Das was für mich wie ein blaugeschlagenes Auge aussah, stellte sich als Lidödem heraus (Wasseransammlung), was wiederrum zusammen mit dem extrem hohen Blutdruck und dem Proteinnachweis im Urin eindeutig für Gestose sprach (eine Gestose ist eine stoffwechselbdingte Schwangerschafterkrankung, bei der man nicht genau weiß, wodurch sie ausgelöst wird, die aber unbehandelt zur Eklampsie führt - was mehr oder minder den Tod bedeutet). Der Ultraschall zeigte, dass das Kind noch lebte und die Frau wurde endlich schon halb-komatös auf die Intensivstation verlegt.
Wir gingen in die Mittagspause. Und als wir wiederkamen um nach ihr zu sehen und nachzufragen, ob die Medis geholfen haben, da kam uns der Chef der Intensiv entgegen und sagte, dass er sie vor 2min verloren hätte. Er sagte das alles auf Französisch, aber ich verstand genug und war ne Minute wie erstarrt. Ich hate die Frau vor nicht mal zwei Stunden noch gesehen - lebend. Wir gingen in die Intensiv und sahen sie noch auf dem Tisch liegen... sie hatten versucht zu reanimieren, aber das hatte wohl nichts mehr gebracht. Ich glaube, dass war die este Tote, die ich gesehen habe. Und selbst jetzt noch, kann ich nicht wirklich glauben, dass sie wirklich tot ist. Das ist eine junge, schwangere Frau von nicht mal 24 Jahren gewesen, die von einer auf die andere Minute tot war. Wieviel Schuld die Ärzte trifft weiß ich nicht - es sah schon nicht gut bei der Einlieferung aus - aber warum wir dann noch zeit verschwendet haben, verstehe wer will, ich jedenfalls nicht. Ich war für ca. 10min geschockt, dann ging die Nachmittagsschicht weiter - Sprechstunde. Zum einen ist es sicher das einzige, was man machen kann um weiter zu arbeiten - Abschalten. Zum anderen hat es mich doch ziemlich erschrocken, dass ich ebenso wie alle anderen zur Tagesordnung übergehen konnte. Dort ein Leben verloren, hier alles voll.
Ich glaube es gibt für die Frauen hier keinen anderen Grund mal zum Gynäkologen zu gehen, außer wenn sie hochschwanger sind. Ich habe noch nie so viele Schwangere auf einem Platz gesehen, insgesamt hatten wir 17 Frauen zur Voruntersuchung/Ulterschall - und ich habe mich wirklich nützlich machen können. Habe zum großen Spaß der Frauen, deren Namen ich immer falsch aussprach, die Untersuchung mit vorbereitet und Behandlungsbuch geführt - auf Französisch wohlbemerkt!
Nach einem sehr langen, schönen und schrecklichen Tag bin ich um fünf nach Hause gegangen. Bettina fragte mich, wie wir es den Rest der Woche machen wollten - sie dachte irgendwie, ich würde von nun an jeden Tag mit ihr kommen ;)
Jetzt sieht es so aus, als würde ich wirklich ein, zwei Tage in der Woche regelmäßig in der Klinik verbringen können, was echt cool ist!

Gestern war ich dann bei einem Treffen mit einer landwirtschaftlichen Kooperative aus Gatare. Und wie das so ist, wenn eigentlich alles gut läuft, wachte ich morgens schon mit Übelkeit auf und saß 2min später auf dem Klo. Toll, was? Ich habe mich dann trotzdem ins Auto gehieft und den Tag soweit auch überlebt, etwas schwächlich und blass, aber immer noch diskutierend ;)
Nach einer Horrorfahrt, die die nach Mwezi noch steigerte und die 2h mehr oder minder querr-feld-ein führte! - es ging über Stock und Stein und neben uns ging es ohne Begrenzung den Abhang hinunter, traf ich mich mit einer Gruppe, die an diesem Programm teilnimmt. Wie sich herausstellte, arbeiteten sie nicht, wie gedacht als landwirtschaftliche Kooperative zusammen (hätte ich für Gikongoro und die Familien der Straßenkinder gut gebrauchen können), aber als Kooperative landwirtschaftlich Tätiger. Sie probieren seit einem Jahr das "Microfinance"-Prgramm aus. Und sind damit sehr erfolgreich! Was es damit auf sich hat, wie der heutige Tag war und wie es weiter geht, könnt ihr im nächsten Blog lesen - das Gepiepse will das ich aufhöre - und es hat vermutlich recht damit, denn der Blog ist eh schon viel viel zu lang.
Mir gehts jetzt schon wieder besser - war nicht so schlimm wie die letzen zwei Male! - ich schone mich noch ein bisschen und geh heute früh ins Bett :)

Ich wünsche euch allen eine gute Woche - fühl euch umarmt, ich denke an euch - eure Milli