Samstag, 28. Februar 2009

Letztes Schlendern durch Butare...








Ein letztes Mal Butare - zusammen mit Olga, ihrem Bruder Jonas und und und, die hier nicht zu sehen sind.

Abschiedsfeier




Abschiednehmen...

Wir haben mittlerweile halb zwölf. In nicht mal mehr 11 Stunden wird unser Wellblechtor quietschen und der HHN-Jeep einfahren, der mich, 47kg und Eva mit Alma nach Kigali und zum Flughafen bringt.
Es ist nun wirklich soweit. Vor einer halben Stunde bin ich ein letztes Mal "nach hause" gekommen, habe mich ein letztes Mal mit Olga auf einen African Tea getroffen, einen letzten Nachmittag in Butare verbracht, bin ein letztes Mal Moto gefahren und habe zum letzten Mal zähneknirschend und doch verstehend den Muzungupreis gezahlt.

Die letzten zwei Tage waren sehr schön. Unser Abschiedsfest war ein voller Erfolg. Es sind mehr als erwartet aus ganz Ruanda angereist, wir haben zwei lustig-anstrengende Dormitory-Bettenlager-WG-Tage mit allerlei und ganz verschiedenen deutschen Freiwilligen verbracht, waren Freitagabend zuerst mit über 30 Leuten Essen und dann in der besseren der beiden schlechten Discos in Butare tanzen ;). Wenn DJ Bobo wüsste, wie aktuell und hip er auf der anderen Halbkugel ist...
Heute habe ich tatsächlich gemütlich ausschlafen können. Und habe, als ich um 11 Uhr mit Kaffee und Toast am Bettenlager vorbeikam immer noch zu den ersten Halbwachen gehört. Nach ausgedehntem Frühstück gings für Olga, Ramsay und mich ins Nationalmuseum - oder eher in den Verkaufsraum. Als wir um halb zwei zurück waren, war auch der Letzte wach, und mit versammelter übrig gebliebener Freiwilligentruppe gings gleich weiter zum Mittagessen ins "Muzungu"-Restaurant Ibis, wo wir afrikanische anderthalb Stunden aufs Essen warteten... Danach noch kurz auf den Markt zu meiner Näherin, Obst und Rückfahrtickets nach Kigali kaufen und für mich zurück und auf zur letzten Packrunde.

Jetzt sitze ich in einem wieder kahlen Zimmer - alle Fotos und Karten sind verstaut, hinter mir lehnt ein riesiger blauer Koffer an der Wand, ein Rucksack, eine Gitarre, mein Handgepäck... irgendwie dachte ich, dass ich mit weniger zurückkommen würde!
Vor einer halben Stunde habe ich mich von der letzten Freundin in Ruanda verabschiedet und noch immer nicht wirklich realisiert, was gerade passiert.
Vielleicht kommt es erst morgen wenn ich wirklich im Flugzeug sitze, eingecheckt habe und mich auf 11h Flugzeit freuen kann. Im Moment ist noch alles unscharf und ich kann gar nicht sagen, wie ich mich fühle -

Ich hoffe ihr hattet und habt ein schönes Wochenende und einen gemütlichen Sonntag.
Ich freu mich sehr auf euch!

Alles Liebe und Gute, eure Milli

Freitag, 27. Februar 2009

Salsakurs in Kigali und meine letzte Woche in Ruanda

Guten Morgen ihr Lieben!

Hier ist er nun - einer der letzten Posts in diesem Milli in Ruanda - Blog. Denn in nicht mal mehr drei Tagen bin ich wieder zurück in Deutschland und meinem eigentlichen, anderen zu hause.
Wir haben Freitagvormittag, ich sitze widererwartend im Büro - eigentlich sollte ich in Save und Mbazi die letzten Interviews machen - und blicke einem grau-trüben wolkenverhangenen Himmel entgegen. Unser Modem oder was immer das ist piepst hysterisch vor sich hin und wird sich gleich verabschieden. Zwei Tische weiter läuft eine heiße Diskussion mit unserem Agronomen Richard, der mit seiner Vergesslichkeit oder Unzuverlässigkeit dafür gesorgt hat, dass heute keine Interviews mehr stattfinden. Die Kinder wurden nicht informiert... und wie das so ist, im Land der Tausend Hügel, findet man keinen, der nicht gefunden werden will.
Also Bürotag - auch nicht ganz schlecht, habe ich so doch zumindest Zeit die letzten Datein zu vervollständigen, auf Sticks zu packen und Eva und Leopold mit gesammelten Fotos, Listen, Mindmaps und Interviews zu überhäufen.
Eigentlich wollte ich schon längst geschrieben haben, von meinem letzten Wochenende in Kigali und einem wirklich lustigen Salsakurs, von unserem nun fertigen Haus, in das ich noch immer nicht umgezogen bin, von meinen drei Tagen Mwezi und Kindern, die zum ersten Mal eine Weiße gesehen haben, und ganz allgemein von meiner letzten Woche in Ruanda. Aber die Zeit hat mittlerweile zu galoppieren begonnen und ich bin froh, wenn ich mit meinen Packvorbereitungen fertig werde und ohne 10kg Übergepäck abheben kann.

Wenn ich so zurück schaue habe ich wirklich viel gesehen und besucht, was ich mir vorgenommen hatte - und eine ganze Menge erlebt. Ich war eine Woche in Uganda und dem Großstadtmoloch Kampala, ich war ein Wochenende in Burundi und habe die Salesianer in Ngozi besucht, ich war bei den beeindruckenden und faszinierenden Gorillas im Volcanopark, im Akagerapark auf Safari mit Alex und Fabian, am Kivusee mit Fischerbootstour und Hügelklettern, sogar noch im paradiesischen Zanzibar mit abenteuerlicher Bustour durch Tanzania... Was fehlt sind die Vulkane. Das habe ich nicht mehr geschafft, aber ich glaube (um mal wieder Urlaubsgerüchte zu zerstreuen), dass das ok so ist. Und so habe ich einen weiteren Grund mal wieder hierher zu kommen.
Fabian und seine Schwester, die seit letzter Woche mit Freund Stefan zu Besuch ist, wollten sich die lavaspeienden Riesen nicht entgehen lassen und haben sich Ende letzter Woche richtung Norden aufgemacht - vielleicht aus Sympathie zu mir oder einfach wegen schlechter Beziehung zu Petrus - klettern und bergsteigen waren sie schlussendlich auch nicht.
Am Samstagvormittag habe ich mich auf zu Sotratours und in die Hauptstadt Kigali gemacht, wo wir uns wiedertreffen wollten. Zusammen mit den Norwegerinnen und für mich Silvi, die ich schon so lange wiedersehen wollte. Und trotz des viel schnelleren Rhythmus in der Großstadt, hatte ich ein sehr entspanntes und schönes Wochenende! Gegen Mittag war ich mit Silvi zum Essen verabredet, später kamen Fabian, seine Schwester Julia und Stefan dazu. Der Nachmittag flog nur so vorbei und bald war es sechs und der Besuch des einzigen Salsakurses in Ruanda stand an.
In einer sehr schönen, sehr westlichen kleinen Tapasbar, die von einer superjungen Amerikanerin geleitet wird, haben wir zwei Stunden lang das Tanzbein geschwungen und wurden von Amy und ihrem amerikanischen Freund im Salsatanzen unterrichtet.
Sehr sehr lustig (ich kann sowas nur empfehlen!) und ich drehe jetzt sogar ein, zwei Figuren. Ein bisschen verrückt ist das Ganze schon, da war ich die ganze Zeit auf Linda in Nicaragua eifersüchtig, die die Tanzcafés sogar im Original vor der Nase hat, und jetzt tanze ich einen lateinamerikansichen Tanz im tiefsten Afrika. :)
Danach gings spanisch weiter - mit sehr leckerem, teurem Essen und einer stark gewachsenen Tischrunde - Norwegerinnen, ein Schwede, Belgier, Amis, Deutsche, Ruander...
Und wie´s der Zufall so will, traf ich sogar einen jungen Ami wieder, der mit uns zusammen im Bus nach Dar es Saalam saß - die Welt ist eben doch ein Dorf.
Wir feierten ein bisschen, eine der Norwegerinnen hatte Geburtstag und ist eine leidenschaftliche Salsatänzerin, tanzten ein bisschen und schliefen in einem - Lob an Fabian - wirklich netten, günstigen Guesthouse der Caritas mitten in Kigali.
Am nächsten Morgen gings verschlafen zum "Frühstücken" in den 24h-Supermarkt Nakumatt und für Fabian + Friends zusammen mit Siegmar, der geschäftlich in Kigali war, zurück nach Butare. Ich blieb noch ein bisschen, besuchte zum ersten Mal das sogar in Deutschland bekannte Bourboncafé (siehe Zeitartikel "Ruanda"), genoss einen wirklich guten Cappuccino und shoppte ne kleine Weile - ich muss ja was zum Mitbringen haben! Um halb drei gings dann auch für mich zurück.
Normalerweise dauert die Fahrt mit dem Bus 2-2,5h. Wie gesagt, normalerweise. Diesmal lag kurz hinter Kigali ein Laster quer über der Straße... bis wir endlich weiterkonnten - und von Wegräumen oder Abtransport kann keine Rede sein, wir fuhren einfach halb im Graben und mehr oder weniger auf zwei Rädern vorbei! - vergingen anderthalb Stunden.
Am Ende kam ich gut an, hatte ein Abenteuer mehr und endlich mal Zeit mich den vielen, vielen tollen Hörbüchern zu widmen, die ich mit mir herumtrage!

Tja, und dann war schon Montag und ich verschwand wieder für drei Tage hinter den sieben Bergen und im weit abgelegenen Mwezi. Leopold und ich besuchten unsere neuen Fahrrad-, Landwirtschafts-, Näh-, und Marktstandsassoziationen in Nyamasheke, die vor kurzem mit der Gemeinschaftsarbeit gegonnen haben und noch ganz voller Tatendrang stecken - hoffentlich bleiben sie so! In Mwezi haben wir die noch ausstehenden Interviews geführt und Fotos gemacht, und ich war ein letztes Mal Dorfattraktion für viele, viele kleine Primärschüler, die zum ersten Mal im Leben eine Weiße gesehen haben. Der Begriff "Menschentraube" ist für mich hier sehr viel gebräuchlicher und persönlicher geworden.
Am letzten Tag standen noch drei Assoziations- und Kinderfamilienbesuche an. Für mich war das wirklich gut, denn ich konnte mit eigenen Augen sehen, was aus den Feldern und dem gespendeten Saatgut geworden ist, wie sich die Assoziationen verändert haben und wie die Arbeit praktisch läuft. Auch wenn es schwierig bleibt und viel weniger geerntet wurde als angenommen, ich habe Kartoffeln gesehen, die vor zwei Monaten noch nicht da waren - ein bisschen was nützt es doch.

Ziemlich müde und kaputt kam ich Mittwochabend wieder nach Butare. Seit einer Woche bin ich dauermüde, habe Kopfschmerzen und wieder Magen-D. Probleme - so schließt sich der Kreis. Gestern habe ich dafür wirklich viel geschafft, inklusive zwei Tests für Malaria und Amöben im Health Centre - beide glücklicherweise negativ. Vielleicht ist es nur das Reisefieber...
Gestern also stand mein letzer Besuch im Krankenhaus an. Ich konnte nochmal in die Chirurgie und bei einer Hysterektomie zuschauen, sehr guten African Tea im Krankenhausrestaurant trinken und wurde morgens sogar von einer netten Ruanderin im Auto gefahren - Regen und Moto gespart :) Danach ging es einkaufen, auf den Markt mit meiner Näherin verhandeln, und nachmittags joggen.
Soweit meine Woche. Heute Abend steht Fabians, Christinas und meine Abschiedsparty an. Die ganzen Tage schon wird viel telefoniert und organisiert. Heute Nachmittag kommt die erste Wagenladung aus Kigali - das erste was ich mache, wenn ich heute aus dem Büro komme, ist ein Bettenlager ;)
Morgen werde ich hoffentlich ein bisschen ausschlafen können, die nächsten Packvorbereitungen treffen und ein letzes Mal durch Butare schlendern.
Am Sonntag dann gehts wieder in die Hauptstadt und zum Flughafen. Nach 6 Monaten Ruanda komme ich wieder nach Hause und gerade freue mich schon riesig darauf. Auf die Heimat, die mir hier erst so richtig als solche bewusst geworden ist, natürlich auf euch alle, auf meine Familie, auf den Schneematsch und die deutsche Pünktlichkeit.

Ich werde es bestimmt nicht mehr schaffen vor Abflug zu bloggen.
Also: Euch allen ein entspanntes, schönes Wochenende! Lasst es euch gut gehen und passt auf euch auf, dass ich euch auch wirklich alle nächste Woche oder zumindest bald darauf wiedersehen kann!

Alles erdenklich Gute, ein wahrscheinlich letztes Mal aus Ruanda - eure Milli

ps.: Wenn alles klappt, lande ich Montagmorgen um 5:50 Uhr mit Ethiopian Airlines (Terminal 1) in Frankfurt am Main.

Montag, 16. Februar 2009

Montag, der 16. Februar...



Guten Montag und euch allen einen guten Start in die neue Woche!

Als ich heute Morgen einen kurzen Blick in meinem Emaileingang warf, stieß ich auf folgendes Foto, das mir meine Mama um kurz vor Acht eurer Zeit gemailt hat.
Es zeigt unseren verschneiten und winterlichen Garten... und soll Sehnsucht und Heimkomm-gefühle wecken - tut es auch!
Um euch einen kleinen Vergleich zu geben und zu zeigen wie unterschiedlich die Welt doch am selben Tag und zur gleichen Stunde aussehen kann, hier der HHN-Garten in Butare...

Ich hoffe euch geht es gut und ihr genießt weiterhin euer Winterparadies.
Ich freu mich schon sehr auf euch alle! Bis in ganz genau zwei Wochen -

Eure Milli

Montag, 9. Februar 2009

"Klingt komisch, ist aber so - die 2."

Guten Morgen ihr Lieben!

Ein schneller Blick auf eure Wetterlage (ich will nicht wieder vom Frühling träumen, wenns in Deutschland schneit!), verrät mir, dass heute kein Grund zur Eifersucht besteht: Köln hat winterliche 7°, Frankfurt 8° und Wiesbaden sogar klirrende 6°... Nein, da bleib ich doch lieber noch ein bisschen hier, auch wenn es ebenfalls nach Regen und einem weiteren Tag ohne Sonne ausschaut. Bedeutet ein "kalter Tag" hier doch zumindest nur langärmlige Pullover und lange Hosen - keine Daunenjacken.

Normalerweise versuche ich gegen halb neun im Büro zu sein. Ich weiß, das kommt euch mit eurem deutschen, überpünktlichen Zeitgefühl reichlich spät vor, aber man bedenke, dass die afrikanischen Uhren anders ticken - und dass ich noch immer ein Langschläfer bin ;)
Heute Morgen allerdings - ich teile mir das Bad mittlerweile mit Fabian UND Siegmar, da mein WG-Partner und ich noch immer wegen Umbauarbeiten beim Chef wohnen, und war wegen diverser Belegungsprobleme (Bad, Fön, Wasserkocher) noch später als sonst - kam ich erst gegen 9:15 Uhr. Warum?
Tja, ich habe manchmal das Gefühl, dass sich sämtliche Unmöglich- und Wahrscheinlichkeiten dieses Raum-Zeit-Gefüges gegen mich verschworen haben. Wer weiß, vielleicht um außenstehenden Betrachtern genügend Unterhaltung zu bieten, vielleicht um die Theorie des kosmischen Witzes zu bestätigen. Mir fällt keine andere Erklärung ein, warum ausgerechnet ich im einzigen Gulli auf einem wirklich sehr, sehr großen Grundstück zunächst steckenbleiben und dann halb ertrinken sollte?!
Das ist so blöd und überflüssig und vor allem absurd, dass ich den Verdacht nicht loswerde wieder einmal Gastspieler bei "Versteckte Kamera" zu sein. Erinnert ihr euch an mein Schlammbad? Das war nicht halb so komisch oder surreal...
Ich renne also an Fabian vorbei, sag Tschüss, gucke einen Moment nicht auf meine Füße, weiß nicht wie mir geschieht und finde mich Millisekunden später eine Etage tiefer wieder. Halb vom Gulli verschluckt, dem (erst seit heute oder was?) ein Gitterstab fehlt, am rechten Oberschenkel eingeklemmt mit hübschen, sich langsam blau-grün verfärbenden Quetschungen und Schürfwunden am Ellenbogen, mit nassen, von Abwasser durchweichten Schuhen und der nicht enden wollenden Frage nach dem WARUM!?!?

So, ich hoffe ich habe euch einen kleinen Lacher oder Mitgefühl oder Unterhaltung beschert. Freut euch, dass euer Leben so normal und weniger chaotisch verläuft.
Könnt ihr euch noch an "Bridget Jones" erinnern - ich hab mich ihr schon immer merkwürig verbunden gefühlt...
Mittlerweile bin ich wieder trocken, habe meine Joggingschuhe und frische Jeans an und erfreue mich einer golfkugelgroßen Beule.
Euch allen einen wunderbaren Dienstag, vielleicht mit Schnee und Regen, aber doch ohne Tauchgänge.

Bis ganz bald - die Chaosqueen

ps.: Ich werde diesen bescheuerten Gulli nachher fotographieren und ebenfalls posten... Wenn ich es mir recht überlege, ist es eigentlich unmöglich, dass ich da durchpasse! Aber hey, für Harry springen ganze Gebäude aus dem Weg, verpflanzen sich Bäume selbst und bleibt die Zeit stehen - da werden sich für mich wohl ein paar Gitterstäbe verbiegen können...

Samstag, 7. Februar 2009

Jambiani - Strandtage



Delfintour in Kizimkazi





Zanzibar - Stone Town





Auf der Spice-tour und in Stone Town

Milli (wieder) in Ruanda

Einen leichten, sorgenfreien, frühlingshaften Samstagmorgen!

Wie mir zu Ohren gekommen ist, erlebt Deutschland gerade ein erstes, leises Frühlingserwachen. Die ersten Krokusse und Schneeglöckchen sollen schon die Köpfe hervorstrecken, die Sonne wärmt wieder ein bisschen mehr und es liegt ein Hauch von Neuanfang in der Luft...

Hier in Butare ist wieder alles grau in grau. Es regnet jeden Tag, ist empfindlich kühl geworden, und ich habe wieder einmal nicht den Eindruck auf einem heißen Wüstenkontinent zu leben. Am späten Donnerstagabend bin ich nach einer fast zwei tägigen Busfahrt wieder wohlbehalten in meiner ruandischen Heimat angekommen. Hinter mir liegen fast zwei Wochen Urlaub, davon 9 Tage auf einer der traumhaftesten Südseeinseln, die ich je gesehen habe...
Mit dem Bus ging es quer durch Tanzania, widererwartend doch "nur" 32h - nicht 48 wie anfangs gedacht. Mehr oder weniger Nonstop geht es von Kigali am frühen Samstagmorgen richtung Osten, wo man die Grenze nach Tanzania überquerrt um dann fast diagonal auf Dar es Saalam zuzufahren. Die Strecke ist viel sicherer als ich dachte - es gab keine Raubüberfälle, keine improvisierten Straßensperren, eigentlich einen recht gemütlichen großen Bus und ca. 60 Passagiere. Zusammen mit Eva, Silvia, Lars, Sarah, Abdul und Sandra hatte ich eine zwar anstrengende, aber lohnenswerte Fahrt an den Indischen Ozean. Unterwegs haben wir einen netten Ami und einen sehr engagierten ruandischen Cowboy, der als Pfarrer arbeitet, kennengelernt. Uns die langen Stunden mit Schlaf, Kommunikation, Pinkelpausen und einem sehr surrealen 5h-Stop mitten im Nirgendwo vertrieben, und schon um zwei Uhr Sonntagnachmittag den Buspark von Dar es Saalem erreicht.
Mit einem viel zu teuren Taxi ging es dann direkt zum Hafen um die letzte Speed-Fähre nach Zanzibar zu erwischen. In meinem sehr hilfreichen Lonleyplanet steht dick und fett, dass man jegliche Tickets immer direkt am Schalten und nie auf der Straße kaufen soll... tja, wenn man denn den Schalten als solchen erkenne würde! Natürlich sind wir augenblicklich einem sehr schmierigen Ticketverkäufter in die Arme - oder sein halb-offizielles Ticketbüro - gelaufen, haben Tickets für 40 statt 35$ gekauft und wurden von Ami und Cowboy angelacht.
Nicht mit uns, dachten wir. Also schnurrstracks - kurz vor Fährenabfahrt - zurück zum Ticketstand (oder was immer das war) und insgesamt 20$ zurückverlangt. Was soll ich sagen, gerade mal 3min Diskussion und wir hatten 20$ zurück, nicht mal gefälschte. Die Androhung von Polizeiunterstützung wirkt wahre Wunder. Zanzibar fing doch noch gut an.
Nach anderthalb Stunden Wasserfahrt kam die Strandpromenade in Sicht, die Sonne schien, das Meer glitzerte und ich bekam eine Flasche Wasser geschenkt. Durchgeschwitzt, klebrig, hündemüde aber froh und glücklich kamen wir weitere anderthalb Stunden später mit Hilfe von James Taylor (unserem selbsternannten Zanzibarguide) im "Annex of Abdallah", unserem Hostel-Hotel, in Stonetown an.
Für supergute 10$ pro Nacht (inklusive Frühstück) verlebten wir eine richtig schöne Zeit in der "Hauptstadt", die von Jahrhunderte altem Kulturenmix, 90% muslimischer Bevölkerung, vielen Indern, afrikanischen und italienischen Einflüssen geprägt ist.
Die Hafenstadt sah für mich so gar nicht nach Afrika aus oder dem, was ich bis jetzt davon gesehen hatte. Viel eher musste ich an Süditalien, bestimmte Ecken in Florenz oder Assisi denken - vielleicht erklärt das, warum sich die Italiener auf Zanzibar so wohl fühlen. Es soll im Norden der Insel ganze Hotelketten und Privatstände nur für das südländische Völkchen geben. In Stonetown selbst zeugt überteuertes italienisches Eis, italienisch-sprachige Kellner und ein Amore Mio Restaurant davon.
Die ganze Stadt ist erfüllt von einer gelebten Multikulti-Bewegung. Afrikaner neben Indern, Muslime und Christen - alle leben friedlich zusammen, erzeugen eine mitreißende, sommerliche Atmosphäre und bestärken mich wieder einmal in der Überzeugung, dass scheinbar religiöse Auseinandersetzungen und Konflikte in den meisten Fällen nur oberflächlich religiös motiviert sind.
Gleich am ersten Abend, nach einer überfälligen Dusche und einer halben Stunde Faulenzen, haben wir unser Lieblingsrestaurant um die Ecke entdeckt. Für umgerechnet einen Dollar kann man richtig gut arabisch essen, es gibt den besten Chaitee, den ich bis jetzt getrunken habe oder auch eklige Pineapple-Fanta. Nur die Cola schmeckt wirklich überall gleich.
Am nächsten Morgen dann auf zur "Spice"-Tour. Zusammen mit anderen Touris - darunter der reiche Christian und Thorsten aus Deutschland - haben wir die Insel näher erkundet, erfahren wie Vanille, Chilli, Zimt, Muskatnuss, Cardamon usw. "lebendig" aussehen, traditionell zu Mittag gegessen und dem Meer und einem kilometerlangen weißen Sandstrand einen ersten Besuch abgestattet.
Bis Mittwoch sind wir in Stonetown geblieben, haben uns durch den wunderschönen, bunten Obst-Gewürz- und Gemüsemarkt, die kleinen engen italienisch-aussehenden Gässchen gedrängelt, mit Straßenhändlern gefeilscht und gekauft, gekauft, gekauft. Es gibt dort so viele Ohrringe, Armbänder, Ketten, Tücher, Kleider... dass man gar nicht weiß, wohin man zuerst blicken soll und es ist nicht möglich sich dem Kaufrausch zu entziehen. Trotzdem, für die Rückfahrt hat es noch gereicht.
Am Mittwoch gings auf richtung Süden, in das kleine Dorf Kizimkazi, das vor allem wegen seiner Delfine so viele Besucher hat. Ich war das erste Mal mit Delfinen schwimmen. Mit einem kleinen Boot fährt man aufs offenen Meer, dann heißt es 10min Warten und auf jede sich zeigende Rückenflosse achten. Fast anderthalb Stunden sind wir diesen schlauen, schönen Wasserliebhabern hinterher gefahren, immer wieder reingehüpft und geschwommen was das Zeug hielt. Ich war teilweise so nah dran, dass ich sie hätte berühren können - ein wirklich einzigartiges, und eigentlich unbeschreibliches Erlebnis! Insgesamt haben wir ca 15 Delfine gesehen, sogar ein Baby - noch viel cooler als in "Flipper".
Danach noch ne halbe Stunde Riffschnorcheln (auch absolut empfehlenswert!) - tja, und dann, dann hat Milena ihre Tasche übers Wasser gleiten lassen - ihren Ipod und ihr Handy kurz untergetaucht und dafür gesorgt, dass seit über einer Woche keine telefonische Verbindung aufgebaut werden kann. Bis jetzt - ich habe es in die Sonne gelegt, ihm gut zugeredet, es mehrfach getrocknet und versucht aufzuladen - nichts. Bis auf weiteres ist und bleibt es still und ich muss mir überlegen, ob ich für die letzten drei Wochen noch ein neues Handy anschaffe.
Die restlichen Tage bis Sonntag, bevor es nochmal zurück in die steinerne Stadt ging, haben wir in Jambiani, einem mehr als ruhigen, fast verlassenen, Robinson Cruso-gleichen Ort an der Ostküste verbracht. Mehr Entspannung, azurblaues Meer, Strand, frische Kokosnüsse, Palmenwedel und Schwimmen im wirklich 40°C warmen Indischen Ozean geht nicht. Ich bin ein kleines bisschen braun geworden, habe mich fast nicht verbrannt, dafür aber unglaublich viel gelesen, die "Seele baumeln lassen" und aufgetankt für meine letzten drei Wochen Afrika, die am Montag anbrechen. Zwischenzeitlich konnte ich gar nicht fassen, dass es so bald schon wieder nach Hause geht - diesmal ganz, nach Deutschland. Und so sind meine Karten, die ich fleißig geschrieben habe, vielleicht ein bisschen melancholisch - oder jedenfalls voll gemischter Gefühle.
Jetzt gerade freue ich mich wieder sehr auf die Heimat - nicht nur weil es hier seit heute Morgen nicht aufklären will, der Regen schon riechbar ist und ich gerade nur die Erinnerung an das heiße, sonnige Zanzibar habe. Sondern auch, weil ich es mir gerade gut vorstellen kann, bald nach Hause zu kommen. Komisch bleibt es aber dennoch, vermutlich noch ne ganze Weile. Wie sechs Monate fühlt es sich jedenfalls schon lange nicht mehr an und ich werde nicht ganz ohne Bedauern gehen, was ich aber als gutes Zeichen werte, heißt es doch, dass ich mich in Afrika wohlfühle, dass ich es zu schätzen gelernt habe und froh bin, diesen Weg gegangen zu sein.

Nach dem Sommerurlaub an der Ostküste, Hennamalerei an der Hand und einer superguten Ganzkörpermassage am Strand, sind wir am späten Sonntag wieder zurück in die Stadt gefahren - mit einem wiederum sehr afrikanischen Dalla-Dalla Minibus.
Wieder arabisch essen, Postkarten schreiben, Eisessen, shoppen, shoppen, shoppen und zu einem "Abendmarkt", wo ca. 50 Köche ihre Spezialitäten anbieten, man von Stand zu Stand schlendert und Meeresfrüchte und Süßspeißen schlemmt.
Dienstagnachmittag bin ich zurück aufs Festland und nach Dar es Saalam, das ich leider gar nicht gut in Erinnerung behalten werde. Die Anderen sind noch einen Tag länger geblieben, bevor es für sie für eine weitere Woche aufs Zwischenseminar nach Bagamoyo geht. Dar es Saalam - zumindest abends/nachts und wenn man mehr oder weniger alleine unterwegs ist, Muzungo und weiblich - kann ich nicht empfehlen. Unglaublich aggressive Typen, die einem weißmachen wollen, dass das Busticket 10.000 TSH mehr kostet als noch am Vortag telefonisch bestätigt, gegen die man sich aber nicht behaupten kann, weil man ständig Angst hat, dass an der nächsten Ecke einer mit Messer und weiteren Geldforderungen wartet, und weil man den verfluchten Bus ja doch nehmen muss. Taxifahrer, die sich mit 4000 TSH (eh viel zu viel!) einverstanden erklären und dann 8000 fordern, weil der Weg ja doch so weit gewesen sei. Überall Abzocke, falsche oder ungenaue Angaben und der Großstadtstress in Reinform. Ich war heilfroh als ich am nächsten Morgen und nach widererwartend doch gut überstandener Nacht im Bus saß. Auf der Fähre hatte ich ein nettes australisches Pärchen kennengelernt, mit dem ich mich zusammen getan habe - ich weiß nicht, ob ich alleine durchgekommen wäre oder wieviel Geld ich in Tanzania gelassen hätte. Mittwoch 6 Uhr morgens bin ich losgefahren, hier zur Tür herein kam ich um halb acht Donnerstagabend. Wieder todmüde, dreckig, verschwitzt - aber voller schöner Erinnerungen und einer hoffentlich noch lange anhaltenden Entspannung.

Bevor ich jetzt bald ende, noch ein Nachtrag zum "Paradies". Im populären Sinne und in den Hochglanzmagazinen der Reisebüros, erfüllt Zanzibar zweifelsfrei alle Erwartungen. Um dem Begriff, der ja eigentlich andere Wurzel hat, gerecht zu werden, muss ich gestehen, dass es auch andere, ganz unschöne und traurige Seiten gibt, die mir noch nie so krass aufgefallen sind wie auf Zanzibar, an der Ostküste in Jambiani.
Jambiani ist ein winzigkleines ursprüngliches Fischerdorf. Die Menschen leben dort in kleinen Korallenhäusern, die oft keine oder löchrige Dächer haben. Die Mädchen laufen in gerüschten, halb zerfetzten rosa Ballkleidchen aus der Altkleiderspende - ein verstörender Anblick - herum, kommen an den Strand, an den Hotelzaun und versuchen die Früchte zu stibizen, damit sie was zu essen haben. Werden sie trotz "Wachposten" vom Hotelmanager gesehen und festgehalten, gibt es eine kleine Tracht Prügel mit selbstgebauten Ruten. Die Hotelgäste werden lächelnd um Entschuldigung gebeten. Das Dorf selbst hat nichts vom Tourismus - und ganz Zanzibar oder die dort ansässigen Hotelketten, lebt davon. Zwei Welten so dicht beieinander, dass sie nur durch ein neurenoviertes Hoteltor getrennt sind. Mir ist kein stärkeres Bild für die Ungleichverteilung von Profit begegnet wie an diesem "paradiesgleichen" Strand. Und doch könnte man wahrscheinlich argumentieren, dass es dem Dorf und seinen Menschen mit dem bisschen, was der Tourismus ihnen bringt (Stromleitung, Putzjobs, Kioskbesitzer, Tourguides) wenigstens besser geht als ohne. Und doch, der Gedanke bleibt - da hat man ein Paradies und einen so kleinen, ungerechten Prozentsatz, der davon profitiert. Noch paradoxer wird es, wenn man bemerkt, dass die Besitzerin unseres Nachbarhotels Deutsche ist...

Hier ist soeben die Sonne rausgekommen - leicht und unbeständig, aber sie scheint und wirft tanzende Lichtreflexe auf meine vergittertes Fenster. Ich mache für heute schluss - dieser Post ist eh schon viel zu lang!
Ihr wisst jetzt, dass es mir gut geht, dass ich superschöne, harmonische, entspannte und einfach sommerfrische Urlaubstage hatte. Dass ich telefonisch leider vorerst nicht zu erreichen bin, und dass ich mich schon sehr auf euch alle freue!

Genießt euer erstes (oder schon zweites?) Frühlingswochenende, lasst euch die wenigen Sonnenstrahlen aufs Haupt scheinen und startet in dieses neue Jahr, wenn ihr es bis jetzt noch nicht getan habt.

Alles Liebe und Gute, eure Milli (wieder) aus Ruanda